"... doch nicht für immer". Gefördert durch das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung.
Ursendung: 13. Mai 2012, 14.05, SWR2 Feature am Sonntag. Radio Riga (lettische Fassung): 14. Juni 2012



1944, 16 OKTOBER, MONTAG 11 UHR 05

Wir sind auf dem Schiff. Jetzt sind wir endgültig auf dem Weg zur anderen großen Heimat. Ich fühle mich ziemlich elend, da ich nun einmal diese ganze Sache angefangen habe, dennoch versuche ich doch tapfer zu sein, mich einigermaßen über Wasser zu halten.

Die Frage danach, was ich arbeiten werde, treibt mich ständig um. Aber vielleicht wird sich das ja günstig und von selbst ordnen.
Aber trotz allem – es geschieht das beste.

Rita fährt auch auf unserem Schiff. Die Überfahrt ist wohl ziemlich gefährlich. Auch gestern Nacht haben wir noch einigen Alarm durchgestanden, bei den Anlegestellen, mit unseren Sachen. Überhaupt war das Gedränge auf das Schiff mit dem ganzen sperrigen Gepäck eine Qual.

Und dann fing auch noch so ein Deutscher an, schreckliche Dinge über unser künftiges Schicksal zu verbreiten, dass wir nie mehr zurückkehren würden. Aber wir müssen doch einmal heimkehren.

Aber jetzt bleibt das Land unserer Kindheit hier zurück, alles, alles bleibt hier. Und wie werden wir noch in Deutschland umherstreunen.
Überhaupt ist unser Schicksal ziemlich ungewiss.



Der Hafen von Liepaja / Libau, Oktober 1944.
Vieles mußte zurückbleiben, großes Gepäck,
Möbel, Tiere.