"... doch nicht für immer". Gefördert durch das Grenzgänger-Stipendium der Robert Bosch Stiftung.
Ursendung: 13. Mai 2012, 14.05, SWR2 Feature am Sonntag. Radio Riga (lettische Fassung): 14. Juni 2012



1944, 20 SEPTEMBER, DONNERSTAG, 12 UHR 55 MITTAGS

Glücklicherweise befinde ich mich noch in der Hauptstadt. Habe mich schließlich doch entschlossen, weg zu fahren. Eigentlich ist das ja ein Ereignis, über das man ewig Tränen vergießen müsste. Aber gut – kommen wir eben aus mit einigen wenigen, vielleicht allzu bitteren.

Habe mir fast eine Beule am Kopf geholt vor lauter Nachdenken und Grübeln über den Richtungswechsel in meinem Leben.

Eben kommt Tante und erzählt uns, dass man auch bei ihr in der Arbeit davon redet, besser nach Talsis oder nach Civars zu fahren.

Die momentane Lage ist gerade schrecklich – als ob Vidzeme, Livland und selbst Riga nicht zu halten sein werden. Gestern Abend war wieder ein ziemlich heftiger Bombenangriff, am stärksten wohl in der so heimgesuchten Pardaugava auf der anderen Seite der Daugava, der Düna.

Gestern gab es einen unendlich traurigen Abschied von unserer alten Wohnung an der Parka Straße, vom Fräulein Weinbergs und den beiden Hausmeistern.

Onkel K. rief noch an ... Es ist furchtbar. Ich hatte kein Taschentuch und brachte daher fast kein Wort heraus ...