Presse Archiv : Münchner Merkur, 11.1.2006

Das Dekodieren von tönenden Botschaften
Kalle Laar präsentiert 200 Klangpostkarten
VON KATHARINA KORB

Kalle Laar entführt in andere Welten. Der Kraillinger Künstler versetzt die Gäste seiner Ausstellungen und Auftritte in Klangwelten, die fernab derer liegen, die täglich über die Radiolautsprecher dudeln oder auf CD gebrannt im konventionellen Handel erhältlich sind. Kalle Laar hat ein Faible fürs Vinyl - und dieser Vorliebe widmet er sich mit seiner ganzen künstlerischen Arbeit.

Wie viele Platten in seinem Kraillinger Zuhause tatsächlich lagern, kann Kalle Laar gar nicht sagen „Aber an die 8000 Schallplatten werden es bestimmt sein“, vermutet der Künstler. Bereits in jungen Jahren war er auf der Suche nach interessanten Klängen. Wer aber glaubt, ihm ginge es primär um schöne Musik oder um atmosphärische Töne, der irrt. Sein Interesse gilt der Metaebene der runden Scheiben wie der zeitgeschichtlichen Aussage, die eine Platte vermittelt, oder aber der Nachricht, die ein Cover kommuniziert oder eben nicht. 

Verhaltensregeln für Atombombenabwurf 

So bekommt Kalle Laar immer wieder Gänsehaut, wenn er die Scheibe „If the bomb falls“ auflegt. Sie ist ein im Jahr 1959 produzierter Ratgeber des amerikanischen Verteidigungsministeriums, wie man sich im Falle eines Atombombenabwurfs zu verhalten hat.„Man kann sich dem nicht entziehen. Die darin vermittelte Geschichte geht weit über die darin enthaltene Information hinaus“,  erklärt er. Die seltenste Platte, die der Künstler sein eigen nennt, ist ein so genannter „Tönender Feldpostbrief aus dem Zweiten Weltkrieg. Platten dieser Art wurden für Kriegsverletzte hergestellt die nicht mehr, schreiben konnten. Für sie bestand die Möglichkeit, ihre Lieben zuhause per Schallplatte zu grüßen.

Derzeit stellt der Kraillinger Künstler in der Münchner Galerie „lothringer13“ aus. Unter dem Titel „Sera el amor“ präsentiert er etwa 200 Klangpostkarten aus seiner Sammlung, die nach dem klassischen Farbverlauf geordnet an der Wand montiert sind. An den tönenden Postkarten - „eines der spannendsten Objekte überhaupt“ (Laar) - fasziniert ihn die Vielschichtigkeit des Mediums. Visuell gewinne die Platte durch die Rillen an Tiefe und Dreidimensionalität zudem verrate einem das Äußere nichts über das Innere - also die tatsächliche tönende Botschaft der Schallplatte, erklärt Laar weiter. Die konkrete Zusammenführung von Bild und Ton fasziniert Kalle Laar an den Klangpostkarten. In seiner Kunst mit und ums Vinyl geht es dem Künstler wie immer um das Dekodieren der tönenden Botschaften.

Neben seinen Ausstellungen - im vergangenen Sommer war Kalle Laar „Artist-in-Residence“ im Wiener Museumsquartier - präsentiert er sich in unregelmäßigen Abständen im Rahmen des „Temporary Soundmuseum“ im Bayerischen Nationalmuseum. Dort lässt er im stimmungsvollen Vestibül des Museums an der Prinzregentenstraße für einige Stunden die Platten kreisen. Immer steht der Abend dann unter einem klangvollen Motto wie „Die Insel-Nacht“ , oder „Märchenhafte Klänge“. Gemeinsam mit der Künstlerin Barbara Holzherr lässt Kalle Laar dann selten oder noch nie gehörte Töne hörbar werden und begibt sich mit den Gästen auf eine Klangreise quer durch die ganze Welt und seinen Plattenfundus.  

„Sera el amor“: Die Ausstellung ist noch bis 25. Januar in der Münchner Galerie Lothtinger13 Lothringer Straße 13 zu sehen. Zum Ausstellungsende findet am 25. Januar um 19 Uhr eine Finissage statt. 

Hat ein Faible für Vinylscheiben: Kalle Laar. Foto: dr