Presse Archiv : Münchner Merkur, 31. 5. 2001


Weselys und Laars Metropolis

Die Welt ist doch eine Scheibe, zumindest die Grossstadtwelt der Münchner Künstler Michael Wesely und Kalle Laar. Der Fotograf Wesely (Verbindungen mit dem Goetheinstitut Rom, der Biennale in Sao Paulo und dem Metropolitan Museum New York) und der Akustiker Laar (Klangräume in Münchner Museen) vereinten sich zum Langzeitprojekt Metropolis. Die ersten zwei vertonten Stadtansichten von Los Angeles auf bewährtem 33er-Vinylträger liegen jetzt vor.

Jeder Stadt werden zehn Bildscheiben gewidmet, zwölf Städte hat man sich insgesamt vorgenommen. Die Oberflächen der picture discs zeigen eine Bildsituation, die in zwanzigminütiger Langzeitbelichtung entstand. Die geraute Struktur der analogen Plattenrille verleiht den Motiven Tiefenwirkung. Jede Platte enthält die gleichzeitig aufgenommene Geräuschkulisse. Nun wird die bizarre Anmut massiver Steinkonstruktionen, mit Reklamen behängt und vom Verkehr durchflutet, seit den Kindertagen der Fotografie abgelichtet.

Auch Wesely/Laars Bild-Ton-Konserven transportieren mit dem Fritz-Lang-Titel einen retrospektiven Ansatz, ohne allerdings ins Nostalgische zu verfallen. Wie Großvaters Camera obscura wirkt der aus Holz selbstgebastelte und mit Graufiltern ausgestattete Foto-Apparat. Die Technik der Schallplatte ist seit Jahrzehnten vertraut. Klassisch bauen sich Weselys Bilder mit dem Fluchtpunkt zur Mitte hin auf, zum Loch: Bei Gefallen passt der Nagel an der Wand hindurch.

Verblüffend neu erscheint indes die Gleichzeitigkeit der statischen und sich entwickelnden Elemente auf einem Bildplattenmotiv. Zumal, wenn der zugehörige Ton jene Abläufe nachliefert, die auf dem Bild gar nicht oder nur schemenhaft erfasst sind. Weil die langen Belichtungen schnell bewegte Objekte nicht wahrnehmen, scheint der belebte Harbour Freeway völlig verkehrsfrei. Wartende Menschen vor dem extrem scharfen Hintergrund einer Imbissbude bilden ein schemenhaftes Knäuel. Die Autos vor der rot-gelb-grünen Verkehrsampel schweben geisterhaft entmaterialisiert durch banale Straßenfluchten. Viel Illusion für 100 DM pro Platte.
Andreas Weitkamp